Dr. Barbara Niedner

Verhaltensbiologie & Führung

Wie ein Zuviel an Aufmerksamkeit die Vielfalt killt

Agil ohne PlanungBekannt sein und viel Aufmerksamkeit genießen, scheint doch toll. Das streben wir an, es erscheint uns wertvoll. Ja, was man immer wieder sieht – egal ob gut oder schlecht – bekommt Bedeutung.

Das ist fatal, denn es führt zu einer Einfalt mit negativen Konsequenzen.

Zum Beispiel:

Im Meeting sprechen immer dieselben

Die Aufmerksamkeit im Unternehmen ist ungleich verteilt: Hierarchische Alphas bündeln dabei die Aufmerksamkeit auf ihre Person. „Plaudertaschen“ und Extrovertierte kommen in den Vordergrund. Zurückhaltende, die länger überlegen möchten, halten den Mund.

Wir folgen oft der Meinung von Trendsettern: Gruppenzwang reduziert schon im Kindergarten die Meinungsvielfalt. Die meisten Kinder passen ihre Meinung, die sie öffentlich kundtun, der Mehrheit an, sie wollen dazugehören und beugen sich dem Gruppenzwang. Seien Sie mal ehrlich: Wie oft äußern Sie eine berechtigte Beschwerde im Restaurant bei der Frage, war alles ok und hat es geschmeckt?

Es gibt unzählige Gründe, warum in Besprechungen meist dauerhaft die Aufmerksamkeit unterschiedlich verteilt ist. Das Problem: Damit reduziert sich die Vielfalt. Nur wenige kommen zu Wort und bringen ihre Ideen und Meinungen ein.

Anstreben, was am Markt bereits erfolgreich ist

Alle sprechen von Innovationen und doch konzentrieren sich die meisten Unternehmen auf das, was schon da ist. Oder auf eine Variation, Ergänzung, Weiterentwicklung davon: „Das iPhone der Zukunft“, „Der nächste Harry Potter“, …

Kein Wunder: Der Mainstream dominiert das Blickfeld. Darum gibt es so vieles vom selben – und immer noch mehr Unternehmen springen auf den gleichen Zug auf. Viele Unternehmen und Start-Ups suchen den einmaligen Volltreffer, den alle haben wollen (und folgen werden). Gleichzeitig orientieren sich fast alle am Bekannten, am Bewährten. Vermeintliche Produktvielfalt ist in Wirklichkeit nur Mehr vom selben … ein bisschen anders. Die Suche nach dem Volltreffer wird zum Mittelmaß der Zukunft.

Einer gewinnt und der Rest folgt als Fan

Der FC Bayern ist immer der Gewinner, kauft alle guten Spieler aus der Bundesliga. Trends genießen hohe Aufmerksamkeit. Viele Menschen folgen einem Trend, sind Fans, Anhänger oder neuerdings Follower. Sie schenken ihre Aufmerksamkeit einem Club, den sie lieben (FC Bayern), folgen wie Jünger einer Firma (Apple).

Auch konzentrieren wir uns auf wenige Plattformen im Internet. Alle tauchen bei Facebook in einer eigenen Welt ab. Facebook gewinnt damit stark an Macht. Oder die Recherche in Google: Durch Suchalgorithmen (und Suchmaschinenoptimierung) wird Bekanntes immer bekannter, gewinnt also an Aufmerksamkeit, indem es auf die erste Seite von Google kommt. Wer blättert schon auf Seite 2 weiter?

Die Sprache und Begrifflichkeit im Internet passt sich dem an. Medien optimieren ihre Titel mit gefragten Begriffen und verstärken damit die Aufmerksamkeit dieser Begriffe. Meinungen werden verstärkt durch Social Bots und durch Algorithmen sehen wir nur noch das Gleiche, sind sozusagen in der Filterblase.

Bestimmte Marken und Lebensmittel

Für Unternehmen hat die Marke einen hohen Wert, für den Markt und für die Verbraucher führt es zur Einfalt und die damit verbundene Abhängigkeit.

Es gibt weltweit nur noch wenige Lebensmittelproduzenten. Fast schon ein Monopol, das uns durch viele Variationen im Supermarkt als Vielfalt verkauft wird. Der Verbraucher liebt oft seine Marke, aber es wird langweilig, wenn sie überall auf der Welt rund ums Jahr alles, meistens das Gleiche bekommen. Das führt zu einem regelrechten Einheitsbrei.

Einheitssprache macht Kultur platt

Die englische Sprache verbindet global agierende Unternehmen. Doch eine Sprache bringt kulturelle Eigenheiten mit sich, sie prägt die Kultur, bringt Farbtupfer in die Wirkung. Sprache verändert den Blick auf die Welt. Es kommt zum Verlust von Einzigartigem.

Seien Sie sich bewusst: Egal, wie gut Sie in der englischen Sprache unterwegs sind – wenn es hart auf hart kommt, ist ein Native-Speaker immer im Vorteil. Er kann seine „Farbe“ durch die Sprache besser aufs Papier einbringen und in Entscheidungen umsetzen.

Muttersprache fühlt sich anders an. Sie ist eng mit Wohlfühlfaktor, Zuversicht und Persönlichkeit verbunden. Das gilt auch für Dialekte. Früher habe ich noch viele Dialekte mit einer lokalen Duftnote in Unternehmen erlebt. Heute ist das nur noch sehr selten anzutreffen.

Globale Ketten sind überall gleich

In Städten treffen sie global, besonders in Shopping-Malls, auf gleiche ihnen bekannte Geschäften, nächtigen in vertrauten Hotel-Ketten und essen in Fast-Food-Restaurants das Altbekannte. In welcher Stadt bin ich heute?

Das reduziert die Kultur, individuelle Eindrücke und unseren Umgang damit.

Israel wehrt sich dagegen. Sie bewahren sich ihre kulinarischen Vorlieben, bevorzugen selbst zubereitete Speisen und haben eine eigene Fast-Food-Kultur. In Israel tun sich globale Gastro-Ketten schwer, Fuß zu fassen. Ein Wirt eines Hummus-Restaurants in brandeins: „Unsere Spezialität ist, dass wir uns nicht verändern.“ Bis heute benutzt er das gleiche Rezept.

Sich nicht zu verändern, kann auch bedeuten, Vielfalt zu erhalten.

PS: Die Beatles erhielten lange keinen Plattenvertrag, weil ihre Sounds anders waren. Also zu außergewöhnlich in einer Zeit, wo die Aufmerksamkeit auf Weniges fokussiert ist. Lesen Sie mehr über Ausreißer.

Agil ohne Planung
Das ist ein weiterführender Online Artikel zu meinem Buch:

Agil ohne Planung
Wie Unternehmen von der Natur lernen können
Menschen planen wie wild. Die Natur macht einfach.

Passend zum Buch meine Keynotes und Seminare:

PDF – Handelsblatt Interview „Die Natur plant nicht!“

Die Natur plant nicht und ist agiler als jedes Unternehmen

Autor: Dr. Barbara Niedner

Als Verhaltensbiologin und Führungskräftetrainerin in namhaften Unternehmen bringe ich die Prinzipien der Natur, die sich über Millionen von Jahren agil wandlungsfähig angepasst hat, in die digitale Ära.

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